Neustart voraus!

Ich denke, dass ein Studienabbruch für niemanden mit Personalentscheidungsverantwortung ein rotes Tuch sein sollte.“

Eileen Zimbal

HR Management Specialist, Arineo GmbH

 

Wir trafen uns zum Gespräch mit Eileen Zimbal, HR Management Specialist bei der Arineo GmbH. Das Göttinger IT-Dienstleistungsunternehmen nimmt mit seinen Auszubildenden regelmäßig an Studienaussteigerveranstaltungen des Netzwerks Neustart voraus teil.

Frau Zimbal, warum tun Sie das?  

Wir nehmen an der Veranstaltung „Studienabbruch – und dann?!“ seit fünf Jahren teil. Unser Anspruch ist, allen an IT-Berufen Interessierten eine Chance bieten, bei Arineo heimisch zu werden.  

Wie viele Personen mit diesem Background beschäftigen Sie? Und welche Fachrichtung bringen diese mit?  

In den vergangenen Jahren ist etwa ein Drittel unserer Auszubildenden nach einem Studienausstieg in die Ausbildung bei uns gestartet. Die meisten von ihnen waren fachfremd und hatten zuvor beispielsweise im Bereich Agrar- oder Politikwissenschaften studiert. 

Und dann mit Informatik etwas ganz anderes…? 

Was sie verbindet, ist der Wunsch, nach dem doch sehr theoretischen Studium etwas mit den eigenen Händen zu machen. Durch einen Impuls oder Kontakt mit der Informatik haben sie an diesem Bereich Interesse gefunden und mit einer Ausbildung bei Arineo den entsprechenden Weg in die Berufswelt gefunden. Es macht ihnen viel Freude, schon in der Ausbildung Ergebnisse des eigenen Handelns, beispielsweise bei der Entwicklung und Programmierung, zu sehen.

Was unterscheidet die Auszubildenden mit Studienabbruch von denen, die ohne diesen Hintergrund bei Ihnen arbeiten?   

Auf menschlicher Ebene gar nichts. Abgesehen davon können sich diese Personen gut selbst organisieren, arbeiten vielleicht ein wenig strukturierter und sind dadurch schneller selbstständig.

Sie haben also einen besonderen inneren Ansporn? 

Zumindest sind sie sehr proaktiv bei der Sache und integrieren sich schnell ins Team. Auch diejenigen mit fachfremdem Studienbackground sind für uns von Minute eins an wertvolle Mitglieder des Teams, denn sie alle brennen für ihre Aufgaben. Dabei hilft ihnen sicher auch ihre Lebenserfahrung und der vorausgegangene Gedankenprozess „Studienabbruch, ja – nein“, der sie hat reifen lassen. Vielen fehlte in ihrem Studium der praktische Bezug – den haben sie in der Ausbildung tagtäglich, das spornt an. Aber ganz ohne Theorie geht es dort natürlich auch nicht.

Wie sehen denn die Schritte im Bewerbungsprozess aus, wenn ich gerade in der Phase des Zweifelns stecke? Welche Tipps haben Sie?   

Das Menschliche ist für uns der ausschlaggebende Punkt. Wir wünschen uns einen offenen Umgang miteinander, das fängt schon im Bewerbungsgespräch an. Uns interessieren insbesondere die Beweggründe, die zu einem Abbruch führten – wir möchten den dahinterliegenden Reflexionsprozess verstehen. Abseits der wünschenswerten Qualifikation, zählen für uns vor allem Lebenserfahrung, Offenheit, Zukunftsgewandtheit und der Wille, gemeinsam etwas zu bewegen im Unternehmen.

Kommen ehemalige Studienabbrecher:innen auch mal an ihre Grenzen im Rahmen der Ausbildung? Kommt es ab und an zu erneuten Abbrüchen? 

Nein, das habe ich noch nicht erlebt. Wie gesagt: Es geht auch in einer Ausbildung nicht ganz ohne Theorie oder Prüfungen. Aber es ist wichtig, miteinander im Austausch zu sein. Sei es in Feedback- oder Entwicklungsgesprächen, oder auch außerhalb dessen – wir haben immer ein offenes Ohr füreinander. Wenn es für unsere Auszubildenden Herausforderungen gibt, die sie allein nicht bewältigen können, dann unterstützen wir. Darüber hinaus haben unsere Auszubildenden die Möglichkeit, sich auch auf persönlicher Ebene weiterzuentwickeln. Dafür arbeiten wir mit technischen Tools aber auch mit Coaches.  

Der Studienabbruch ist eng mit den Tabuthemen „Scheitern“ und „Lücke im Lebenslauf“ verknüpft. 

Wir bei Arineo sehen das überhaupt nicht so! Im Gegenteil: Ich finde es einen großen Zugewinn, Mitarbeiter:innen mit diesem Background im Unternehmen zu haben. Ich denke, dass ein Studienabbruch für niemanden mit Personalentscheidungsverantwortung ein rotes Tuch sein sollte. Es ist kein Scheitern, das möchte ich ganz explizit betonen. Auf dem Weg zum Studienabbruch machen die jungen Leute wichtige Erfahrungen, ziehen ihre Schlüsse und reifen daran. 

Wird die Zielgruppe in Stellenausschreibungen explizit adressiert?  

Explizit sprechen wir Studienabbrecher oder -zweifler:innen bisher nicht an. Diese Maßnahme werden wir in Zukunft aber definitiv verfolgen, denn wir haben mit all unseren Auszubildenden mit dem Hintergrund „Studienabbruch“ sehr gute Erfahrungen gemacht und wollen diese Zielgruppe für uns noch weiter aufschließen. Auch die Themen „Genderklischee“ und „Stereotypen“ spielen eine Rolle: Für die IT-Branche haben wir einen vergleichsweise hohen Anteil an Frauen. Dennoch arbeiten wir kontinuierlich daran, gerade von ihnen als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. In diesem Zusammenhang freuen wir uns sehr über den Ausbildungsstart weiterer junger Frauen im August dieses Jahres.  

Welchen Appell richten Sie an die Entscheider:innen in der Region hinsichtlich unserer Zielgruppe? Welche Wünsche haben Sie an das Netzwerk?  

Ich würde mir noch mehr Offenheit für das Thema und Aufgeschlossenheit zum Netzwerken von allen Beteiligten, insbesondere den Unternehmen, wünschen. Es ist sinnvoll, bestehende Veranstaltungen in der Region gemeinsam zu nutzen, um für die Zielgruppe sichtbar zu sein. Das Format der Studienabbruch-Veranstaltung mit der Universität Göttingen und der Agentur für Arbeit ist dafür gut geeignet. Wir nehmen gern daran teil und würden uns wünschen, dass in der gesamten Region künftig noch breiteres Interesse daran besteht. Außerdem möchte ich noch einmal betonen: Studienabbruch darf nicht als Stigma auf den Personen lasten; ein vermeintliches Scheitern darf gesellschaftlich nicht tabuisiert werden! 

Wir möchten auch dafür werben, den Stellenwert von „Ausbildung“ wieder zu stärken. Es muss möglich sein, den jungen Menschen heute flexiblere Wege von der Schule in den Beruf aufzuzeigen. Überholte Schemata von schulischen Abschlüssen und beruflichen Perspektiven müssen hinterfragt werden dürfen. Und: Wir müssen uns in der Region zusammenschließen und zeigen „Ausbildung ist cool.“  

Zum Unternehmen:

Die Arineo GmbH ist eine Employee Owned Company aus Göttingen mit Standorten in Deutschland, Österreich, Dänemark und China. Sie begleitet Unternehmen bei der digitalen Transformation – von der Lösungsauswahl über Implementierung bis hin zu Betrieb und Support – in den Bereichen ERP, CRM, Customer Experience, Modern Workplace und Data Analytics. Dabei nutzt das Unternehmen Microsoft-, SAP-, KI-, IoT- und Big Data Technologien.  

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